Entwicklungshintergrund

Das Elterntraining FamilienTeam wurde von Dr. Johanna Graf an der LMU München im Rahmen ihrer Habilitation entwickelt, in Kooperation mit Frau Prof. Dr. Sabine Walper (Deutsches Jugend Institut) zum Thema „Förderung familialer Interaktionskompetenzen bei Eltern und Kindern – Entwicklung und Evaluation eines Trainings“.

Das Ziel war, ein Präventionsprogramm zur Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung zu entwickeln, das einerseits die aktuelle familienpsychologische Forschung berücksichtigt und andererseits mit einem erlebensorientierten, alltagsnahen und handlungspraktischen Trainingsansatz über andere Elternangebote hinaus geht. FamilienTeam greift dabei die Trainingsmethode der erfolgreichen Paarkommunikationstrainings EPL und KEK von Dr. Franz Thurmaier, Dr. Joachim Engl und Prof. Dr. Kurt Hahlweg auf und passt sie an die Eltern-Kind-Beziehung an.

FamilienTeam: Lebensnah. Wissenschaftlich fundiert.

Wissenschaftlicher Hintergrund

FamilienTeam basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Familienpsychologie. Forschungsergebnisse zur Förderung der sozio-emotionalen Kompetenzen und der psychischen Gesundheit von Kindern, zur respektvollen Konfliktlösung, zur Prävention von Gewalt in Familien sowie zur Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung wurden im Elterntraining FamilienTeam handlungspraktisch nutzbar gemacht. Der wissenschaftliche Hintergrund von FamilienTeam besteht im Wesentlichen aus vier Grundlagen:

Bindungsorientierung
Eine sichere Bindung und eine gelingende interpersonelle Stressregulation zwischen Eltern und Kindern sind bedeutsam für eine psychisch gesunde Entwicklung der Kinder, für ihre emotionale Stabilität und für ihren späteren Bildungserfolg. Emotional verfügbare Eltern sind für ihre Kinder eine „sichere Basis“, um die Welt zu erkunden. Dabei kommt es vor allem auf eine Beziehungsgestaltung an, die von Feinfühligkeit, emotionaler Wärme, ungeteilter Aufmerksamkeit, sowie Respekt für die Autonomie und Selbständigkeit des Kindes geprägt ist. Eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung ist die Voraussetzung für die Bewältigung von Herausforderungen und Konflikten in der Familie und ein bedeutsamer Schutzfaktor für die kindliche Entwicklung (Resilienz). Die frühen Beziehungserfahrungen prägen das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in der Pubertät und wirken weit darüber hinaus – bis ins Erwachsenenalter hinein.

Systemische Orientierung
Die Entwicklung eines Kindes ist eingebettet in das System seiner Familie. Ein Kind wird nicht nur durch das Erziehungsverhalten seiner Eltern beeinflusst, sondern von der gesamten Beziehungsgestaltung in der Familie. Die Entwicklung der Kinder lebt unter anderem von der Zusammenarbeit beider Eltern als Elternteam („Elternallianz“). Elterliche Streitigkeiten und Loyalitätskonflikte können Kinder schwer belasten. In gesunden Familien gibt es zudem klare Hierarchiegrenzen zwischen Eltern und Kindern: Eltern tragen Verantwortung für ihre Kinder, nicht umgekehrt. Schwierigkeiten, Konflikte und psychische Probleme sind als Lösungsversuche einzelner oder mehrerer Familienmitglieder zu sehen, wenn das Familiensystem aus der Balance geraten ist.

Emotionsorientierung
Zentral für ein gelingendes Miteinander in der Familie ist der Umgang mit Gefühlen (siehe FamilienTeam Inhalte). Eltern haben die Verantwortung, ihren Kindern eine angemessene Integration aller Gefühle in ihr Leben vorzuleben und beizubringen. Eltern stärken die emotionalen Kompetenzen ihrer Kinder, wenn sie achtsam auf deren emotionale Bedürfnisse eingehen, mit den Kindern über Gefühle reden, sie bei der Bewältigung unangenehmer Gefühle unterstützen sowie die Eigenständigkeit der Kinder bei der Regulation von Gefühlen fördern. Kinder, die ein solches „Emotions-Coaching“ durch ihre Eltern erfahren, sind psychisch gesünder, haben seltener Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen oder Essstörungen, sind sozial kompetenter und beliebter, sind körperlich gesünder, haben bessere Schulnoten, und bewältigen potenziell belastende oder sogar traumatische Erfahrungen im Leben besser. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren (z.B. sich selbst beruhigen zu können) ist Voraussetzung für Aufmerksamkeitssteuerung und Konzentration sowie ein hilfreiches Verhalten in Stresssituationen. Bei der Förderung der emotionalen Kompetenz kommt es jedoch nicht nur auf die Verhaltensebene an: Gedanken, Haltungen, Einstellungen und Metaphern über Gefühle, sogenannte „Meta-Emotionen“ bestimmen, wie Eltern mit den eigenen Gefühlen umgehen und auf die Gefühle von Partner und Kindern reagieren: Ist der Tränenausbruch eines Kindes peinlich, oder die Gelegenheit, ihm nahe zu sein? Kennt ein Indianer keinen Schmerz? Ist Wut etwas Schlechtes und unter allen Umständen zu vermeiden? Solche Grundhaltungen zu Gefühlen finden im FamilienTeam besondere Beachtung.

Interaktionsorientierung
Die Interaktion und Kommunikation in der Familie ist der Kern von allem, was in der Familie geschieht. Die Qualität der Interaktion in der Familie ist in unzähligen Studien der wichtigste Faktor für eine gesunde Entwicklung der Kinder. Das Wohlbefinden aller Familienmitglieder und nichts weniger als die ganze Zukunft einer Familie hängt davon ab. Vor allem der Bewältigung von Konflikten und Stresssituationen kommt eine Schlüsselrolle zu, sowohl für ein gesundes Familienleben mit den Kindern als auch für eine stabile und tragfähige Beziehung zwischen den Eltern. Kommunikationsfertigkeiten und Fähigkeiten zur Selbstregulation von negativen Gefühlen bewahren die Verbundenheit in der Familie und schützen vor Eskalationen und Gewalt.

Einen ausführlicheren Fachartikel zum theoretischen Hintergrund finden Sie hier:

Graf, J. (2004). Unsere Familie - ein starkes Team. In W.E. Fthenakis & M.R. Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch.

Die Besonderheiten von FamilienTeam im Vergleich zu anderen Elternprogrammen (Triple P, STEP, KESS Erziehen, Starke Eltern starke Kinder) finden Sie in diesem Fachartikel:
Graf, J. (2004). Hilfen zum Leben mit Kindern – Zum Beispiel FamilienTeam. Lernort Gemeinde, 22 (4), 37-45.

Evaluation

Die Effektivität und Wirksamkeit von FamilienTeam wurde und wird in einer umfassenden Evaluationsstudie an der Ludwig-Maximilians-Universität laufend überprüft. Die Evaluation erfolgt in zwei Schritten: (1) In einer „formativen Evaluation“ werden die teilnehmenden Eltern nach Abschluss eines FamilienTeam Seminars zu ihrer Zufriedenheit mit dem Kursangebot, zur Seminarleitung, Gruppenatmosphäre sowie zu subjektiven Veränderungen befragt. (2) In einer „summativen Evaluation“ erfolgt eine umfassende Untersuchung der Wirksamkeit von FamilienTeam im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Eltern ohne Seminarbesuch: vor dem Training, nach dem Training und ein Jahr später. Die Datenerhebung findet auf allen Ebenen des Familiensystems (Individuum, d.h. Kind, Mutter, Vater; Partnerschaft; Mutter-Kind, Vater-Kind; Gesamte Familie) und mittels multipler Datenquellen statt: neben Selbst- und Fremdberichten werden im häuslichen Umfeld videographierte Interaktions-Sequenzen durch geschulte Beobachter ausgewertet. Es werden nicht nur die Kompetenzen der Eltern im Umgang mit ihren Kindern (auf den Dimensionen emotionale Wärme/Wertschätzung; Kontrolle/Lenkung; Autonomieförderung) sowie das Familienklima erfasst, sondern auch die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Kinder, deren internalisierende und externalisierende Probleme sowie die Qualität der Partnerschaftsbeziehung und -kommunikation.

Ergebnisse der formativen Evaluation
„Das Beste“ im Kurs sind für die befragten Eltern die Trainingseinheiten bzw. praktischen Übungen. Alle Eltern sind sehr zufrieden mit FamilienTeam und meinen, die Hilfe, die sie sich davon versprochen haben, erhalten zu haben. Ihr Selbstvertrauen als Eltern ist gewachsen – gerade für schwierige Situationen mit dem Kind fühlen sie sich nun besser gerüstet. Nicht nur die Beziehung zum Kind, sondern auch die Partnerschaft und die ganze Familie werden gestärkt. Bereits im Verlauf des Kurses sehen die Eltern positive Veränderungen bei ihrem Kind. Ein typischer Kinderkommentar: „Mama, du hast die Schimpfsprache verlernt!“

Ergebnisse der summativen Evaluation
Wie verändert sich das Erziehungsverhalten durch FamilienTeam? Vor Seminarbeginn sind die Eltern im Vergleich zur Kontrollgruppe im Nachteil: Sie schätzen ihr Erziehungsverhalten als deutlich weniger liebevoll-konsequent ein als Eltern, die keinen Kurs besucht hatten – gemessen an den Dimensionen Zuwendung und Freude, Involviertheit, positive Problemlösung, Bekräftigung kindlicher Ideen, klare Regeln und Erwartungen, konsequente Erziehung. Nach Kursende hat sich ihr Erziehungsverhalten hochsignifikant verbessert. Die Seminarteilnehmer schätzen ihr Erziehungsverhalten nun als wesentlich kompetenter ein und erreichen damit die gleichen Werte wie die Eltern der Kontrollgruppe. Interessanterweise sehen die Eltern der Vergleichsgruppe ihr eigenes Erziehungsverhalten inzwischen etwas skeptischer – ein häufiger Befund auch anderer Studien, der dafür spricht, dass sich mit der Zeit eher Probleme in der Erziehung einschleichen als gelöst werden. Erfreulicherweise kann dieser Trend durch FamilienTeam nicht nur gestoppt, sondern sogar umgekehrt werden: die elterlichen Erziehungskompetenzen verbessern sich nachweislich.

Weitere Ergebnisse

Weitere Ergebnisse aus der Mütterbefragung über den Zeitraum von einem Jahr:

  • langfristige Zunahme entwicklungsförderlichen Verhaltens
  • Empathischerer Umgang mit negativen kindlichen Gefühlen wie Traurigkeit
  • Steigerung des subjektiven Wohlbefindens
  • Das Familienklima wird offener und emotionaler
  • Reduzierung von Überforderung
  • Jungen mit FamilienTeam Eltern werden weniger unruhig und unkonzentriert

 

Weitere Ergebnisse aus der Väterbefragung über den Zeitraum von einem Jahr:

  • Reduzierung von Überfürsorge und Überforderung in der Erziehung der Kinder
  • aktivere und gemeinschaftlichere Freizeitgestaltung
  • Tendenziell reduzierte Diskrepanzen in der Erziehung zwischen beiden Elternteilen

 

Ergebnisse aus der Kinderbefragung:

  • mehr einfühlsam-unterstützendes Verhalten seitens der Mütter im Zeitverlauf
  • empathischerer Umgang der Mütter mit kindlicher Trauer (Bestätigung der Mütterbefragung)

 

Einen umfassenden Überblick über die FamilienTeam Evaluationsergebnisse gibt das Buch „FamilienTeam in der Praxis“ von Dr. Stepanka Kadera (Ludwig-Maximilians-Universität München).

Eine herausragende Arbeit zum Thema „Emotionale Entwicklung und elterliche Förderung“ stammt von Dr. Monika Wertfein (Staatsinstitut für Frühpädagogik) und ist im VDM-Verlag erschienen.

Das Buch „Emotionale Kompetenz und Erziehungsverhalten im Spiegel der Mutter-Kind-Interaktion“ von Dr. Martina Wittmann beleuchtet die Entwicklung emotionaler Kompetenzen.

Literatur zum Weiterlesen

Baumrind, D. (1971). Current patterns of parental authority. Developmental Psychology Monograph, 4, 1-103.

Covey, S. R. (1996). Die sieben Wege zur Effektivität. München: Heyne.

Covey, S. R. (1998). The seven habits of highly effective families. New York: Golden Books.

Cowan, P. A., Powell, D. & Cowan, C. P. (1998). Parenting interventions: A family systems perspective. In W. Damon, I. Sigel & K. A. Renninger (Eds.), Handbook of child psychology, Vol. 4 Child psychology in practice (5. ed., pp. 3-72). New York: Wiley.

Engl, J. & Thurmaier, F. (2001). Sich besser verstehen - die präventiven Programme EPL und KEK als neue Wege der Ehevorbereitung und Ehebegleitung. In S. Walper und R. Pekrun (Hrsg.), Familie und Entwicklung (S. 364-384). Göttingen: Hogrefe.

Gottman, J. M., Katz, L. F. & Hooven, C. (1997). Meta-emotion: How families communicate emotionally. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum.

Gottman, J. M. & DeClaire, J. (1998). The heart of parenting: How to raise an emotionally intelligent child. New York: Simon and Schuster.

Gottman, J. M. & DeClaire, J. (1998). Kinder brauchen emotionale Intelligenz. Ein Praxisbuch für Eltern. München: Heyne.

Graf, J. (2013). FamilienTeam - das Miteinander stärken: Das Geheimnis glücklichen Zusammenlebens (2. Aufl.). Freiburg: Kreuz Verlag.

Graf, J. (2004). Unsere Familie - ein starkes Team. In W.E. Fthenakis & M.R. Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch.

Graf, J. (2004). „FamilienTeam“ Elterntraining: Mehr Freud’ und weniger Leid in der Familie. In W.E. Fthenakis & M.R. Textor (Hrsg.), Online-Familienhandbuch.

Graf, J. (2004). Hilfen zum Leben mit Kindern – Zum Beispiel FamilienTeam. Lernort Gemeinde, 22 (4), 37-45.

Graf, J. (2007). FamilienTeam – das Miteinander stärken. In Klasse2000 e.V. (Hrsg.): Klarotext, Schuljahr 2007/2008 (S. 3-5).

Graf, J. (2005). FamilienTeam - das Miteinander stärken. In S. Tschöpe-Scheffler (Ed.), Konzepte der Elternbildung - eine kritische Übersicht (pp. 115-135). Opladen: Budrich.

Graf, J. (2006). Erst Wurzeln - dann Flügel. Psychologie heute, 02, 46-51.

Graf, J., Kunstmann, E., Walper, S., & Weigl, E. (2009). Eltern zu kompetenten Erziehern machen - Teil 1. Professionelle Elterntrainings durch Mitarbeiter der Mobilen Sonderpädagogischen Hilfen. Schulverwaltung. Bayern, 32(3), 87-89.

Graf, J., Kunstmann, E., Walper, S., & Weigl, E. (2009). Eltern zu kompetenten Erziehern machen - Teil 2. Elterntraining: Die Ausbildung zum Elterntrainer und die Bewährung des Elterntrainings in der Praxis. Schulverwaltung. Bayern, 32(4), 122-124.

Kadera, S. (2013). FamilienTeam in der Praxis: Evaluation eines Elternkurses für Familien mit Vor- und Grundschulkindern. München: Utz.

Schneewind, K.A. & Graf, J. (2000). Beziehungstraining - Wissen und Handeln im Kontext von Partnerschaft und Familie. In H. Mandl & J. Gerstenmaier (Hrsg.), Die Kluft zwischen Wissen und Handeln: Empirische und theoretische Lösungsansätze (S. 157-196). Göttingen: Hogrefe.

Schneewind, K.A. & Graf, J. (2005). Familiale Prävention. In D. Frey & C. Graf Hoyos (Hrsg.). Psychogie in Gesellschaft, Kultur und Umwelt ( S. 107 – 113). Weinheim: Beltz-PVU.

Saarni, C. (2002). Die Entwicklung von emotionaler Kompetenz in Beziehungen. In M. von Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln. Grundlagen in Kindheit und Jugend (S. 3-30). Stuttgart: Kohlhammer.

Wertfein, M. (2007). Emotionale Entwicklung und elterliche Förderung im Vor- und Grundschulalter. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.

Wertfein, M. (2006). Emotionale Entwicklung im Vor- und Grundschulalter im Spiegel der Eltern-Kind-Interaktion. eDissertation an der LMU München.

Wittmann, M. (2008). Emotionale Kompetenz und Erziehungsverhalten im Spiegel der Mutter-Kind-Interaktion. Berlin: Verlag Dr. Köster.