Entwicklungshintergrund

Das Training wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität München von Dr. Johanna Graf und Dr. Stefan Bauer im Auftrag des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus entwickelt und ist bindungs- und systemtheoretisch fundiert. Es stellt eine Adaption der erfolgreichen Trainingsangebote FamilienTeam (für Eltern) sowie ProfiTeam (für pädagogisches Fachpersonal in Krippe, Kindergarten und Hort) dar. Langfristig soll durch die Trainingsprogramme für Eltern, pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte ein sicheres Netzwerk für Kinder geschaffen werden, in dem alle Sozialisationsagenten einheitlichen Erziehungsstrategien folgen.

KlasseTeam ist ein wissenschaftlich fundiertes Trainingsprogramm, das auf aktuellen und bewährten Befunden der Bindungs-, Emotions- und Erziehungsstil- Forschung aufbaut. Im Fokus stehen Kompetenzen der Selbstregulation und Beziehungsgestaltung auf Seiten der Lehrkräfte, deren Gelingen nach neurobiologischen Erkenntnissen Voraussetzung für den schulischen Bildungsprozess ist. Denn nur wer sich angenommen fühlt, kann angstfrei lernen.

Seit 2010 wird KlasseTeam in der Lehrerbildung als viertägiges intensives Seminar angeboten, zum Teil bereits studienbegleitend, beispielsweise am Münchner Zentrum für Lehrerbildung der Ludwig-Maximilians-Universität.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Was Lehrkräfte brauchen, zeigen aktuelle Studien: Kompetenzen für herausfordernde Situationen in Unterricht und Pausenhof, sowie eine effektive Burnoutprophylaxe. Aus dieser doppelten Zielsetzung heraus entstand das Programm KlasseTeam. Es basiert auf neuesten Befunden aus Bindungs- und Emotionsforschung und bezieht auch Erkenntnisse der modernen Hirnforschung mit ein. Der wissenschaftliche Hintergrund von KlasseTeam besteht im Wesentlichen aus vier Grundlagen:

Bindungsorientierung
Bindung kommt vor Bildung. Lernen und Unterrichten ist eine sehr persönliche Sache zwischen Lehrkraft und Schüler bzw. Schülerin, die gegenseitiges Vertrauen voraussetzt. Erst wenn Vertrauen entstanden ist, wird Entwicklung und Bildung möglich. Eine sichere Bindung und eine gelingende interpersonelle Stressregulation zwischen Lehrkraft und Schülern ist daher die Vorausssetzung für alle Lernprozesse und für den mittelfristigen Bildungserfolg.

Systemische Orientierung
Die Entwicklung von Schülern und Schülerinnen ist eingebettet in das System aus Familie, Schule und Peerbeziehungen. Die gesamte Beziehungsgestaltung innerhalb der Schule hat Einfluss auf das Lernen und die Entwicklung von Schülern und Schülerinnen. Zudem kommt der Zusammenarbeit mit den Eltern in engen Erziehungspartnerschaften eine bedeutsame Rolle zu. Schwierigkeiten, Lernprobleme, Konflikte und Verhaltensauffälligkeiten in der Klasse sind als Lösungsversuche der Kinder zu sehen, wenn das System oder einzelne Teile des Systems aus der Balance geraten sind.

Emotionsorientierung
Lehrkräfte stärken die emotionalen Kompetenzen ihrer Schüler, wenn sie achtsam auf deren emotionale Bedürfnisse eingehen, mit den Schülern über Gefühle reden, sie bei der Bewältigung unangenehmer Gefühle unterstützen sowie die Eigenständigkeit der Schüler bei der Regulation von Gefühlen fördern. Schüler, die ein solches "Emotions-Coaching"erfahren, haben bessere Schulnoten, sind psychisch gesünder, haben seltener Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen oder Essstörungen, sind sozial kompetenter und beliebter, sind körperlich gesünder, und bewältigen potenziell belastende oder sogar traumatische Erfahrungen im Leben besser.

Interaktionsorientierung
Die Interaktion und Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler bestimmt deren Beziehung zueinander maßgeblich. Das Wohlbefinden aller Schüler und Schülerinnen hängt davon ab, ebenso das Klassen- und Schulklima. Der Beruf einer Lehrkraft verlangt ein Höchstmaß an kommunikativen Kompetenzen. KlasseTeam greift bewährte Methoden und Erfahrungen aus verschiedenen Kommunikationstrainings auf und stärkt die vorhandenen Fertigkeiten von Lehrern und Lehrerinnen, so dass diese ihr Potential zur feinfühligen Beziehungsgestaltung voll entfalten können.

Evaluation

KlasseTeam Trainings werden an der Ludwig-Maximilians-Universität laufend evaluiert. Die wissenschaftliche Überprüfung der Effektivität, die intensive Trainerausbildung und verpflichtende regelmäßige Supervision stellen die hohe Qualität des Programms sicher.

Von den bisher befragten 116 Teilnehmern finden 98 Prozent, dass sie durch das Rollenspieltraining ihr "Wissen sehr gut in praktisches Handeln umsetzen" konnten. Nahezu alle (99 Prozent) stimmten der Aussage zu, durch die Rollenspiele "das Erleben und Verhalten der Schülerinnen und Schüler nachempfinden" zu können. Besonders hervorgehoben werden das Kleingruppentraining mit Trainerbegleitung an typischen Situationen aus dem Schulalltag, die "Minikompasse" als Leitlinie zu den unterschiedlichen Situationstypen sowie deren Veranschaulichung in Live-Demonstrationen durch die Kursleiter, die durchgängig als kompetent bzw. äußerst kompetent wahrgenommen wurden.

97 Prozent der Teilnehmer würden KlasseTeam an ihre Kollegen weiterempfehlen. Nicht nur ihre Gelassenheit in der Klasse, ihre Selbstwirksamkeit und wahrgenommene Kompetenz hat sich nach Angaben der Teilnehmer durch das Training verbessert (90 Prozent Zustimmung). Die Lehrkräfte empfinden insbesondere ihre Haltung den Schülern gegenüber als positiver (96 Prozent Zustimmung). Gerade für den Umgang mit schwierigen Schülern und herausfordernden Situationen fühlen sie sich nun viel besser gerüstet (95 Prozent Zustimmung).

Die Beziehung der Schüler zu ihren Lehrern ist seit dem Training nach Angaben unserer Teilnehmer stärker durch Vertrauen und Offenheit geprägt. Die Schüler konnten wichtige Emotionsregulations- und Konfliktlösekompetenzen erwerben.

Bei über der Hälfte der Schüler verzeichnen die Lehrkräfte sogar eine Verbesserung der Lernbereitschaft. Mediatoranalysen konnten zeigen, dass dies durch eine verbesserte Emotionsregulation der Schüler und Schülerinnen zu erklären ist. Selbst die Hausaufgaben werden nun von 44 Prozent der Schüler zuverlässiger erledigt.

Literatur zum Weiterlesen

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