Entwicklungshintergrund

Das Trainingsprogramm ProfiTeam wurde im Auftrag des Bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus durch Dr. Johanna Graf und Prof. Dr. Sabine Walper an der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt, mit dem Ziel, die sozio-emotionalen Kompetenzen der Kinder zu fördern und Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. Es stellt eine Adaption des bereits bewährten Elterntrainings FamilienTeam für pädagogische Einrichtungen dar. Herzstück des Programms ist die Gestaltung einer positiven Bindungsbeziehung zwischen Erzieherin und Kind.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Theoretische Grundlagen der Programmkonzeption bilden aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung, Systemtheorie, Emotions-, Kommunikations- und Bindungsforschung. Eine positive Bindungsbeziehung stellt die Grundlage für jegliche Form von Bildung und Erziehung dar. Zudem ist sie die Basis für eine gesunde und psychisch stabile Entwicklung der Kinder. Der wissenschaftliche Hintergrund von FamilienTeam besteht im Wesentlichen aus vier Grundlagen:

Bindungsorientierung
Eine sichere Bindung und eine gelingende interpersonelle Stressregulation zwischen Fachkraft und Kindern sind bedeutsam für eine psychisch gesunde Entwicklung der Kinder, für ihre emotionale Stabilität und für ihren späteren Bildungserfolg. Pädagogische Einrichtungen können vor allem über eine gelungene Beziehungsgestaltung zur Resilienz und Widerstandfähigkeit von Kindern und zu ihrer langfristig positiven Entwicklung beitragen.

Systemische Orientierung
Die Entwicklung eines Kindes ist eingebettet in das System aus Familie, Einrichtung und Peerbeziehungen. Die gesamte Beziehungsgestaltung in einer Einrichtung, auch die zwischen Leitung und Fachkräften oder zwischen Kolleginnen und Kollegen hat Einfluss auf die kindliche Entwicklung. Zudem kommt der Zusammenarbeit mit den Eltern in engen Erziehungspartnerschaften eine bedeutsame Rolle zu. Schwierigkeiten, Konflikte und Verhaltensauffälligkeiten in einer Einrichtung sind als Lösungsversuche der Kinder zu sehen, wenn das System oder einzelne Teile des Systems aus der Balance geraten sind.

Emotionsorientierung
Fachkräfte stärken die emotionalen Kompetenzen der Kinder, wenn sie achtsam auf deren emotionale Bedürfnisse eingehen, mit den Kindern über Gefühle reden, sie bei der Bewältigung unangenehmer Gefühle unterstützen sowie die Eigenständigkeit der Kinder bei der Regulation von Gefühlen fördern. Kinder, die ein solches „Emotions-Coaching“erfahren, sind psychisch gesünder, haben seltener Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen oder Essstörungen, sind sozial kompetenter und beliebter, sind körperlich gesünder, haben später bessere Schulnoten, und bewältigen potenziell belastende oder sogar traumatische Erfahrungen im Leben besser.

Interaktionsorientierung
Die Interaktion und Kommunikation zwischen Fachkraft und Kind bestimmt deren Beziehung zueinander maßgeblich. Die Qualität der Interaktion in einer Einrichtung wird in der Wissenschaft nicht umsonst als bedeutsamster Faktor für die Einrichtungs- und Betreuungsqualität gesehen. Das Wohlbefinden aller Kinder in einer Einrichtung hängt davon ab. Kommunikationsfertigkeiten der Fachkräfte und deren Fähigkeiten zur Selbstregulation negativer Gefühle bewahren die Verbundenheit auch in schwierigen und herausfordernden Gruppensituationen. ProfiTeam greift bewährte Methoden und Erfahrungen aus verschiedenen Kommunikationstrainings auf und stärkt die vorhandenen Fertigkeiten von Fachkräften, so dass diese ihr Potential zur feinfühligen Beziehungsgestaltung voll entfalten können.

Evaluation

Das Trainingsprogramm ProfiTeam wird an der Universität München wissenschaftlich evaluiert. Bisher konnten die Angaben von 95 der 160 weitergebildeten Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen ausgewertet werden. Diese berichten mehrheitlich, mit Kindern zu arbeiten, die kein angemessenes Sozialverhalten zeigen bzw. Lernschwierigkeiten haben. Sie beurteilen (nach Schulnoten von 1 bis 6) ProfiTeam als „sehr gutes“ Seminarangebot (Mittelwert 1,4).

Unsere Evaluationsstudie belegt die Nachhaltigkeit des Trainings. 10 Wochen nach Seminarende geben die Fachkräfte an, die ProfiTeam-Werkzeuge in ihrem Alltag „häufig“ oder „sehr häufig“ zu verwenden, zum Beispiel:

  • immer wieder innezuhalten, die eigenen Gefühle zu regulieren (63%) und das eigene Erziehungsverhalten bewusst auszuwählen (72%).
  • auf die Gefühle und Bedürfnisse der Kinder einzugehen, wenn diese traurig, ängstlich oder wütend sind (96%) und ihnen zu helfen, angemessene Ausdrucksformen für ihre Gefühle zu finden (68%)
  • das Verhalten „auffälliger“ oder „schwieriger“ Kinder unter einem anderen Blickwinkel verstehen zu können (84%)
  • bei Konflikten nach dem Motto „erst verstehen – dann verstanden werden“ zunächst „in die Welt des Kindes“ zu gehen, eine positive Verbindung mit dem Kind herzustellen (74%) und Kinder an der Suche nach Lösungen zu beteiligen (63%)
  • bei Entwicklungsgesprächen bzw. schwierigen Elterngesprächen im Team mit den Eltern an einem Strang zu ziehen (67%)

Über drei Viertel der Befragten (> 75%) sehen durch die Seminarteilnahme positive Veränderungen im eigenen Erziehungsverhalten sowie in der Beziehung zu den Kindern einerseits ebenso wie positive Veränderungen bei den Kindern selbst. Ihr Selbstvertrauen als Erziehende ist gewachsen. Auch die Atmosphäre im Einrichtungsteam sowie die Beziehung zu den (größtenteils sehr belasteten) Eltern haben sich in den Augen der Teilnehmer/innen verbessert.

Literatur zum Weiterlesen

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